Inhalt
Bemerkung |
Was weiß man schon über Menschenfresser?
Fressen sie Mensch, wie sich's gehört, mit Gabel und Messer?
Schmeckt ihnen ein dicker, asthmatisch gewesener Bäcker besser
als ein dünner, schmalfingriger König?
Man weiß so wenig …
Kästner, Erich: Kurz und bündig, Epigramme. Zürich 1950, S. 45.
In seinem Gedicht „Über Anthropophagie und Bildungshunger“ verweist Erich Kästner mit der letzten Zeile („Man weiß so wenig“) auf die in Anthropophagie-Debatten verbreitete Frage, ob es Kannibalismus jemals gegeben habe oder ob Kannibalinnen und Kannibalen lediglich als diskursiv produzierte Akteure auftauchen. In dem Seminar wird der Versuch unternommen, sich dem komplexen Feld verschiedener Figuren der >Einverleibung< über Konzepte des Kannibalismus zu nähern. Die Anthropophagie hat in einem eurozentrischen Diskurs für gewöhnlich als das ausgegrenzte Andere fungiert und wird mit einem archaischen Zustand der menschlichen Kulturentwicklung gleichgesetzt. Mit grundlegenden Debatten, die derartige Annahmen bestätigen oder in Frage stellen, werden wir uns ebenso beschäftigen wie mit dem Einsatz von Kannibalismus in literarischen Texten und Medien.
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