Inhalt
Kommentar |
Ein Hauptproblem der Kulturwissenschaften ist die Rekontextuierung und Interpretation – z.B. als Sicherung des 'Fundzusammenhangs', als Rückbindung von Einzelnem in seine historisch-gesellschaftlichen Hintergründe, als Positionierung Einzelner in eine Gruppe, als hermeneutische Rekonstruktion der situativen (also kulturellen, historischen, geistesgeschichtlichen, wissenschaftlichen, biographischen …) und textlichen bzw. literarischen Entstehungszusammenhänge von Texten und anderen Artefakten. Die Kulturphilosophie hat zu diesem methodischen Problem mehrfach Stellung bezogen, indem sie zeigte, dass alle diese Fragen im weiteren Sinne auch philosophische Fragen sind. Georg Simmel hat dafür die Metapher des Senkbleis geprägt, das man von jedem Punkt an der Oberfläche des Daseins in die Tiefen (der Seelen) schicken könne. Aber diese Idee stammt vielleicht schon von seinem Lehrer Moritz Lazarus, der sich (darin Aaron Bernstein nachfolgend) noch ausdrücklicher auf den Standpunkt stellt, an den Alltag die transzendentale Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von irgendetwas zu stellen: Wie ist ein Wochenmarkt möglich? Wie ist eine Taschenuhr möglich? Das heißt nämlich mehr und anderes, als eine historisch-genetische Frage zu stellen. Die Frage: Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit so etwas wie ein Wochenmarkt überhaupt möglich ist? ist eine ganz andere als die nach der Geschichte, dem Gewordensein, dem Erfinder oder gar dem 'Ursprung' des Wochenmarktes, obwohl beide Fragerichtungen eng verwandt erscheinen. Wir wollen deswegen die methodische Frageform: Wie ist xy überhaupt möglich?, die freilich ohne historisches Wissen nicht auskommt, in eigenen kleinen Studien an selbstgewählten Einsatzpunkten experimentell erproben. Kurzum: es geht darum, dort ein (philosophisches) Problem zu sehen, wo andere noch nicht einmal eine Frage haben.
– Anregungen dazu gewinnen wir aus der Lektüre klassischer Texte zum Thema (als Pdf in moodle).
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Literatur |
Johann Gustav Droysen: Die historische Frage. In: Ders.: Historik. Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte. Hg. v. R. Hübner. 3. Aufl. München: Oldenbourg 1958, S. 31-36. Moritz Lazarus: Grundzüge der Völkerpsychologie und Kulturwissenschaft. Hg., mit e. Einl. u. Anm. vers. v. K. Ch. Köhnke. Hamburg: Meiner 2003. Georg Simmel: Philosophie der Landschaft. In: Ders.: Aufsätze und Abhandlungen 1909-1918. Bd. 1. Hg. v. R. Kramme u. A. Rammstedt. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2001 (Georg Simmel Gesamtausgabe [GSG]. Hg. v. O. Rammstedt. Bd. 12), S. 471-482. Georg Simmel: Die Großstädte und das Geistesleben. In: GSG 7, S. 116-131. Weitere Anregungen bieten (Auswahl): Bill Bryson: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge. Ins Deutsche übertr. v. S. Ruschmeier. München: Goldmann 2011. Martin Burckhardt: Eine kleine Geschichte der großen Gedanken. Wie die Philosophie unsere Welt erfand. Köln: DuMont 2008. Neil MacGregor: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten. Aus dem Engl. v. W. Götting u.a. München : Beck 2011. Wörter, die Geschichte machten. Schlüsselbegriffe des 20. Jahrhunderts. Hg. v. d. Ges. f. dt. Sprache. Red.: Sabine Krome: Gütersloh: Bertelsmann Lexikon Verl. 2001. |
Bemerkung |
Verbindliche Anmeldung bis 30.9.2019: jbohr@uni-wuppertal.de
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