Kommentar |
Im 20. Jahrhundert haben sich Autoren von Romanen und Theaterstücken vielseitig mit historischen Sujets des Altertums auseinandergesetzt. Natürlich handelt es sich dabei um eine andere Art der Auseinandersetzung als die historisch-kritische der altertumskundlichen Fachwissenschaft. Doch ist auch der Fachwissenschaftler gefragt, wenn es um antike Geschichte in der modernen Literatur geht, und sei es nur deswegen, weil er in der Lage sein muss anzugeben, was in dem jeweils betrachteten Werken authentischer Überlieferung entspricht und was in künstlerischer Freiheit erfunden oder verfremdet wurde. In dem Seminar soll jedoch über diesen engeren Horizont hinausgegangen werden und nur in einem ersten Schritt gefragt werden, welche antiken Quellen für die Abfassung des jeweiligen Werkes benutzt wurden. Daran knüpft sich die Frage: Was macht die Autorin oder der Autor mit den antiken Texten und wichtiger: welche Ziele verfolgte er/sie bei der Bearbeitung seiner Quellen: Ging es um das schlichte Füllen von Überlieferungslücken durch Phantasie? Oder darum, verborgene Motivierungen an die Oberfläche zu holen oder parteiisch entstellte Überlieferungen zu berichtigen? Oder um eine Verschiebung von Phänomenen auf eine Ebene der Zeitlosigkeit? Sollte vor allem auf eine zeitgenössische Situation angespielt werden, aber in einer antiken Verkleidung? An welche konkreten zeitgenössischen Erfahrungen wäre in diesem Fall zu denken? etc. Schließlich ist auch darauf einzugehen, in welcher Hinsicht sich die Resultate der Fachwissenschaft substanziell von den Imaginationen der Literaten unterscheiden.
Im Rahmen des Seminars übernimmt jede(r) Teilnehmer(in) einen relativ kurzen Abschnitt aus einem modernen Werk und untersucht es präzise und konkret auf dort die verarbeiteten Quellen und den Gebrauch, den der/die Autor(in) von den Quellen macht. Darüber hinaus ist es unerlässlich, dass der Bearbeiter / die Bearbeiterin eines Texts wenigstens den Roman bzw. das Theaterstück vollständig gelesen hat, aus dem der bearbeitete Abschnitt stammt. Interessierte wählen sich daher ein Werk aus, das sie vor dem WS studiert haben und zu dem sie eine 2-3-seitige ‚Rezension’ schreiben, die die wichtigsten historischen Daten zur Person des Autors / der Autorin, der historischen Situation, in der das Werk entstanden ist, sowie eine Handlungsübersicht enthält. Eine Auswahlliste, in die sich eintragen können, liegt ab kommender Woche im Sekretariat der Alten Geschichte (Frau Anja Metscher, Raum N.10.09, zu den üblichen Öffnungszeiten aus). Je nach Umfang des behandelten Werks können sich zwei bis sechs Studierende für ein Werk entscheiden. Die im Seminar vertieft zu behandelnden Abschnitte werden in der ersten Sitzung bekannt gegeben.
Ihre ‚Rezension’ muss zu Beginn des WS (spätestens in der ersten Sitzung des Seminars) vorliegen. In das Semester fällt dann im wesentlichen die Quellenrecherche zu den ausgewählten Abschnitten, die im Seminar unter den oben skizzierten Leitfragen vorgestellt und diskutiert werden; in der anschließenden Hausarbeit werden die Ergebnisse für die jeweiligen Werke zusammengeführt.
Im Mittelpunkt werden folgende Werke stehen (die Titel sind im Original angeführt, weil es meist verschiedene Übersetzungen des Titels gibt; im Seminar werden in der Regel Übersetzungen gelesen: Jean Anouilh, Antigone; Bertolt Brecht, Das Verhör des Lukullus; ders., Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar; ders., Antigone; Albert Camus, Caligula; Friedrich Dürrenmatt, Romulus der Große; Jean Giraudoux, La guerre de Troie n’aura pas lieux; Lion Feuchtwanger, Der falsche Nero; Dezsö Kosztolányi, Der blutige Dichter; Klaus Mann, Alexander. Roman der Utopie; Jean Paul Sartre, Les Troyennes, Evelyn Waugh, Helena; Marguerite Yourcenar, Mémoires d’Hadrien.
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Zielgruppe |
Module: P5, W5-6, W12-16, W19, MGE 3, 4, 5, MGE 6P+W, MEd I+II, ZMA G3
Zuordnung: BA; MA Ed (Gym, GHR); MA Hist; ZMA |